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schrieb am 25. Dezember 2025 um 8.57 Uhr
Nachruf auf Gerd Kahmann, genannt „Churchill“
Herkunft und frühe Jahre
Gerd Kahmann wurde am 13. Juli 1962 in Hohenhausen geboren. Dort wuchs er auf – in einem kleinen Fachwerkhaus an der Kalle – gemeinsam mit seiner Oma Emma, seinen Eltern Gerhard und Erika sowie seinen Brüdern Dirk und Uwe. Es war kein Ort für große Worte, aber einer für klare Haltungen. Vielleicht wurde hier schon früh der Grundstein für das gelegt, was Churchill später ausmachte: Bodenständigkeit, Eigenständigkeit und ein feiner Sinn für das Wesentliche.
Seinen schulischen Weg begann er an der Grundschule in Hohenhausen, später besuchte er die Realschule im Kalletal und erwarb dort die Fachoberschulreife und seinen Namen Churchill wegen seiner profunden Geschichtkentnisse. Früh zeigte sich sein Interesse an handwerklicher Präzision – und ebenso früh seine Neigung, Dinge nicht einfach hinzunehmen, sondern zu hinterfragen.
Arbeit, Haltung und Engagement
Von 1979 bis 1982 absolvierte Gerd eine Ausbildung zum Werkzeugmacher bei der Firma Staff in Lemgo. Ein solider Beruf, der zu ihm passte: genau, zuverlässig, ohne Schnörkel. Es folgte der Zivildienst im Martin-Stift in Bad Lippspringe – eine Zeit, die seinen Blick für Menschen und soziale Fragen weiter schärfte.
Ab 1982 blieb er der Firma Staff über viele Jahre verbunden. Doch Churchill war nie jemand, der einfach nur „seinen Job machte“. Früh engagierte er sich im Betriebsrat, zeitweise auch als freigestellter Vertreter. Arbeitnehmerrechte, Mitbestimmung und soziale Gerechtigkeit waren für ihn keine abstrakten Begriffe, sondern praktische Aufgaben – manchmal unbequem, oft diskussionswürdig, aber immer ehrlich gemeint.
Um seinen Horizont zu erweitern, absolvierte er von 1991 bis 1992 ein Weiterbildungsstudium an der Akademie für Arbeit in Frankfurt. Das öffnete ihm den Weg in die Bildungsarbeit. Ab 1995 war er beim DGB-Bildungswerk als pädagogischer Assistent tätig. Wissen weiterzugeben, Zusammenhänge verständlich zu machen und Menschen zum eigenen Denken zu ermutigen – das entsprach ganz seinem Wesen. Belehren lag ihm fern; lieber stellte er Fragen, die hängen blieben.
Wie so viele Lebensläufe verlief auch seiner nicht geradlinig. Es folgten weitere berufliche Stationen, unter anderem im Anlagenbau bei der Firma Muche bei der er mit seinem Arbeitskollegen Peter quer durch Deutschland Montagetätigkeiten wahrnahm. Oft berichtete er von seinen Reisen. Im Metallbau bei Render sowie bei der Firma KSR war er als Schweißer tätig. Später kamen zahlreiche Einsätze über Zeitarbeitsfirmen hinzu. Churchill kannte die Brüche der Arbeitswelt aus eigener Erfahrung – und kommentierte sie mit klarem Blick, gelegentlich scharf, aber selten ohne einen trockenen Humor.
Leben, Beziehungen und Alltag
Zwischenzeitlich zog Churchill nach Spork und lebte in einem kleinen Haus an der Bega. Dort zeigte sich eine andere Seite von ihm: Er kochte leidenschaftlich gern und gut – und wer eingeladen war, wusste, dass man hungrig kommen durfte, aber satt wieder ging. Er passte gelegentlich auf Neffen und Nichten auf, und Treffen bei ihm waren selten steif, oft lustig und nie belanglos. Nach Spork erfolgte der Umzug nach Henstorf auf den idyllischen gelegenen Hof der Familie Sprick. Er fühlte sich dort wohl und war für einige Jahre sein Lebensmittelpunkt. Motorradtouren waren eine weitere Leidenschaft von ihm die ihn in Gegenden in Nah und Fern brachten. Oft saßen wir Brüder im Garten des weitläufigen Hofgeländes und genossen ein gemeinsames Bier mit Blick auf Wälder und Felder.
Bei den Frauen war Churchill durchaus beliebt – so beliebt, dass selbst er gelegentlich den Überblick verlor. Während seiner Arbeit beim DGB-Bildungswerk lernte er in Starnberg Karin und ihre Tochter Lisa kennen. Die Partnerschaft dauerte drei Jahre und war eine wichtige Zeit in seinem Leben, auch wenn sie schließlich zu Ende ging. Ein Gedichtband mit melancholischen Liebesgedichten, die er selbst in den Neuzigern verfasst hat, zeugen von einem Menschen mit Tiefgang.
Rückzug, Freiheit und das Wesentliche
2014 fand Churchill einen Ort, der wie für ihn gemacht schien: ein kleines Tinyhaus. Überschaubar, eigenständig, frei. Kein Überfluss, kein Ballast – dafür Ruhe, Selbstbestimmung und genau so viel Platz, wie man braucht, wenn man weiß, was einem wichtig ist.
Von Familie und Freunden lebte er eher zurückgezogen, ohne dabei distanziert zu sein. Nähe brauchte bei ihm keine Lautstärke. Ein gutes Gespräch, ein gemeinsames Schweigen – das reichte oft völlig aus.
Der Mensch Churchill
Gerd verfügte über beeindruckende geschichtliche und geopolitische Kenntnisse. Gespräche mit ihm waren ruhig, durchdacht und oft überraschend tief. Er war ein angenehmer Gesprächspartner, der nicht belehrte, sondern teilte – und der auch dann zuhörte, wenn er anderer Meinung war.
Und doch gab es diese andere, fast legendäre Seite: seine Auftritte als Feuerspucker. Ein Bild, das Neffen und Nichten noch Jahre später erzählten – und das gut zu ihm passt. Still im Alltag, aber mit dem Mut, auch einmal Feuer zu zeigen.
Abschied
Gerd Kahmann war kein Mensch der großen Gesten. Aber er war einer, der Spuren hinterließ – durch Haltung, durch Wissen, durch Verlässlichkeit und durch seinen ganz eigenen, leisen Humor.
Wir nehmen Abschied von einem nachdenklichen, eigenständigen und aufrechten Menschen der an Folgen einer Krebskrankheit verstarb.
Er bleibt in Erinnerung – leise, klar und unverwechselbar.
Dirk und Uwe Kahmann